Recherche Nordwest

Gehasst – Verdammt – Getäuscht: (Rechts)Rock-Konzert in Canum am 05.08.2023 (Teil 1)

Bereits im vergangenem Jahr am 06.08.2022 fand in Canum (Gemeinde Krummhörn) die Veranstaltungsreihe „Live in Krummhörn“ statt. Dort trat unter anderem die Onkelz-Coverband „Gehasst-Verdammt-Vergöttert“ auf. Die breite Öffentlichkeit bekam von dem Konzert nichts mit und nur wenige Szenekenner_innen wussten von dem Konzert. Nachdem der Nordland Sanitätsdienst ein Foto von dem Konzert auf Facebook veröffentlichte, wurde die Presse darauf aufmerksam. Es erfolgte aber keine Berichterstattung. Zudem wurde von der Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert ein Video von dem Konzert am 06.08.2022 auf Facebook veröffentlicht, wo eindeutig zu erkennen ist, wie eine Person mehrfach den Hitlergruß zeigt (vgl. AFA Nord, https://twitter.com/afanord/status/1687332851170070529).

Quelle: Nordland Sanitätsdienst Facebook-Profil

Quelle: Gehasst-Verdammt-Vergöttert Facebook-Profil

Am 26.07.2023 veröffentlichte der OAT Nordwest über Social Media, dass die Onkelz-Coverband Gehasst-Verdammt-Vergöttert dieses Jahr wieder bei „Live in Krummhörn 2“ auftreten wird. Der OAT bezog sich auf die Recherche vom Rechercheportal Exif (vgl. OAT Nordwest, https://twitter.com/oat_nordwest/status/1684136249542447105). Als bekannt wurde, wer hinter der vermeintlich harmlosen Onkelz-Coverband steckt, war die Aufregung groß, denn alle Bandmitglieder der Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert sind stramme Neo-Nazis, unter anderem mit Verbindungen zu dem seit 2000 verbotenem Netzwerk Blood & Honour und der ebenfalls verbotenen neonazistischen Organisation Combat 18. Unter anderem ist der Sänger Patrick Janssen nicht nur Sänger der Onkelz-Coverband Gehasst-Verdammt-Vergöttert, sondern auch Frontmann der neonazistischen Band Faust. Marco Eckert, der Gitarrist der Cover-Band, ist ebenfalls Mitglied von Oidoxie und Mitglied bei Combat 18 laut Recherchen von Exif-Recherche (vgl. Exif-Recherche, RechtsRock und Hitlergrüße am Ostseestrand – Exif (exif-recherche.org). Zudem wirkte Eckert bei den Bands Sturmwehr und Words of Angers mit (vgl. Endstadion Rechts, https://www.endstation-rechts.de/news/braune-boehse-onkelz-cover-band). Der Schlagzeuger Falk Prinke war ebenfalls Mitglied bei der C-18-Band Oidoxie (vgl. Exif-Recherche, https://exif-recherche.org/?p=5177). Die Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert ist sehr bemüht, sich nach außen so unpolitisch wie möglich zu geben. Jedoch wird durch das alte Band-Logo sehr deutlich, wie die tatsächliche politische Gesinnung der Band ist. Wo jetzt ein Totenkopf zu sehen ist, stand vorher die Zahl 28. Der Zahlencode 28 steht für die verbotene und international agierende rechtsextreme Organisation Blood & Honour.

Nachdem der OAT Nordwest seinen Post bezüglich der Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert auf Social Media veröffentlichte, berichteten auch die hiesigen Lokalzeitungen über das geplante Konzert. Zu Beginn lag der Fokus überwiegend auf der Onkelz-Coverband. Doch es wurde ebenfalls darüber berichtet, dass der rechtsextreme Nordland Sanitätsdienst bereits im vergangen Jahr den Sanitätsdienst übernommen hat. Der Name des Nordland Sanitätsdienst kürzt sich in “NS“ ab. Gegründet wurde der  Nordland Sanitätsdienst 2017 in Nordenham. 2018 wurde der Nordland Sanitätsdienst das erste und einzige Mal im Verfassungsschutzbericht Niedersachsen erwähnt und als Verdachtsfall eingestuft. Danach tauchte er allerdings nicht mehr im Verfassungsschutzbericht auf. Unter anderem trat der Nordland Sanitätsdienst auf dem „Schild und Schwert“-Festival im sächsischen Ostritz sowie beim „Tag der deutschen Zukunft“, den „Tagen der Nationalen Bewegung“ in Goslar und bei dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Berlin in Erscheinung (vgl. Endstation Rechts, Militante Szene in Niedersachsen | Endstation Rechts. (endstation-rechts.de). Der Nordland Sanitätsdienst bezeichnet sich selbst als Nationaler Sanitätsdienst und auch dessen Facebookseite macht sehr deutlich, welche Gesinnung sich dahinter verbirgt. Laut Recherche der Ostfriesen-Zeitung (OZ) hat den Sanitätsdienst für die Veranstaltung am 05.08.2023 eine Person aus Wilhelmshaven angemeldet. Laut unserer Recherchen handelt es sich dabei um den bekannten Neo-Nazi Jens Malte Hillers, der in aktuell in Wilhelmshaven wohnhaft ist. (vgl. antifa.elf,  Kurz notiert (7) – antifa.elf (blackblogs.org)).

Daniel Hintze (Quelle: Recherche Nordwest)

Doch nicht nur bei der Band und dem Sanitätsdienst konnten bereits im Vorfeld Bezüge in die militante Neo-Nazi-Szene nachgewiesen werden. So berichtete unter anderem die OZ darüber, dass es sich auch bei den zwei Veranstaltern, die die Veranstaltungsreihe angemeldet haben, um bekannte Mitglieder der rechten Szene handelt. Bei den zwei Organisatoren handelt es sich laut unserer Recherchen um Casjen Baumann aus Visquard (Gemeinde Krummhörn) und Daniel Hintze, der seit 2017 in Emden wohnhaft ist. Casjen Baumann war unter anderem zuständig für die Internetpräsenz des „Aktionsbündnis Ostfriesland“. Eine Weile verschwand Casjen Baumann aus der Öffentlichkeit (vgl. Nazi Outing Ostfriesland/Friesland).  Daniel Hintze zog 2017 von Potsdam nach Emden und war Schlagzeuger bei der Band „Preussenstolz“, einer einschlägigen Neo-Nazi-Band. (vgl. Tagesspeigel, Von Henri Kramer: Im Neonazi-Untergrund (tagesspiegel.de und Antifa Infoblatt, Groß-Events der rechten Musikszene in Italien | Antifa Infoblatt). Des Weiteren bestehen zwischen Hintze und den Hammerskins Verbindungen. Dies wurde auch am Samstag, den 05.08.2023 deutlich, da einige bundesweit bekannte Hammerskins und Neo-Nazis vor Ort waren. Zudem war Daniel Hintze am 18.08.2023 auf der Beerdigung des Neo-Nazis Christan D. in Beeskow. Laut Recherche-Nord reiste Hintze mit einem Emder Kennzeichen an. Begleitet wurde Hintze unter anderem von Uwe Menzel, bekannt unter seinem Szenenamen Uwocaust (vgl. NSU Watch Brandenburg, Dossier: Uwe Menzel (nsu-watch.info)). Darüber hinaus berichtet die Ostfriesen-Zeitung, wer für den Sicherheitsdienst bei „Live in der Krummhörn 2“ zuständig ist und dass der Sicherheitschef für die Veranstaltung aus dem Landkreis Wolfenbüttel stammt (vgl. OZ, Neonazis agieren im Hintergrund: Rechtsrock-Konzert in der Krummhörn – Ostfriesen-Zeitung (oz-online.de).

Laut unserer Recherche handelt es sich bei dem Sicherheitschef Dennis Kiebitz mit einschlägigen Kontakten zu Blood & Honour wie den Hammerskins (vgl. Exif Recherche, Das geheime Netzwerk der Hammerskins – Chapter in Deutschland: Teil 2 – Exif (exif-recherche.org). Nachdem durch die Berichterstattung des NDR, der OZ und NWZ auch die breitere Öffentlichkeit immer mehr Informationen zu den Hintergründen des Konzerts erhielt, stieg auch der gesellschaftliche Druck auf die Behörden und das Lohnunternehmen Friedrich Voß.  So wurde laut Berichten der OZ den Veranstaltern von der Gemeinde Krummhörn verboten, öffentlich für die Coverband Gehasst-Verdammt-Vergöttert zu werben, darüber berichtete unter anderem die OZ. Laut der OZ klagten die Veranstalter gegen das Werbeverbot. Jedoch sah die Gemeinde angeblich keine rechtlichen Rahmenbedingungen, die Veranstaltung zu untersagen und keine Ausschankgenehmigung zu erteilen. Laut Berichterstattung der OZ würde nichts gegen eine Ausschankgenehmigung sprechen seitens der Gemeinde Krummhörn (vgl. OZ, Konzert am Wochenende: Warum wurde das Rechtsrock-Konzert in der Krummhörn genehmigt? – Ostfriesen-Zeitung (oz-online.de). Doch an das Werbeverbot hielten sich die Organisatoren nur bedingt, da nur bei einem Teil der Plakate die Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert überklebt wurde.  

Quelle: Maike Klaassen Facebook-Profil
Quelle: Maike Klaassen Facebook-Profil

Auch das Lohnunternehmen Friedrich Voß steht deutlich in der Kritik. Das Unverständnis ist groß, dass solche Veranstaltungen auf seinem Gelände stattfinden. Zumal im letzten Jahr die Karten für das Konzert „Live in Krummhörn“ über das Büro des Lohnunternehmens verkauft wurden. So wurde auch ein offener Brief von „Keine Bühne für Nationalist*innen“ an die Firma Friedrich Voß GmbH & Co. KG und die Juniorchefin Maike Klaassen veröffentlicht. In dem offenen Brief fordern sie das Unternehmen auf, das Konzert auf ihrem Gelände zu untersagen. Doch machen sie in ihrem offenen Brief auch deutlich, dass sie den Eindruck haben, dass die Familien Voß und Klaassen wenig Probleme mit den rechtsextremen Verbindungen haben. Sie gehen auch darauf ein, dass Maike Klaassen auch im vergangenen Jahr auf ihrem Facebook-Profil Werbung für das Konzert gemacht hat.  Auch in diesem Jahr warb sie für das Konzert „Live in Krummhörn 2“. Auch nach der Berichterstattung über die rechtsextremen Strukturen hinter dem Konzert, hielt sie an dem Konzert fest und behauptete, dass es sich bei dem Konzert um eine unpolitische Veranstaltung handle. Sie bezeichnete die Berichterstattungen sogar als Rufmordkampagne. Unter ihrem Post erhielt sie viel Zuspruch. Auch ein Kommunalpolitiker der SPD stellte sich hinter Maike Klaassen und das Lohnunternehmen Voß. Interessant ist auch, dass es sich unter den Unterstützer_innen unter den Kommentaren der OZ und auf dem Profil von Klassen teilweise um Ehefrauen von altbekannten Neo-Nazis aus Ostfriesland handelt.  Darüber hinaus zeigten weitere Widersprüchlichkeiten der Juniorchefin, inwieweit sie beim Konzert involviert ist. So wurde Seitens des Lohnunternehmers immer wieder betont, kein Veranstalter des Konzertes zu sein. Auf Facebook verkündete Maike Klassen jedoch, dass man einen Ersatz für die Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert gefunden habe und jetzt die neue Onkelz-Coverband Viva Los Tioz auftreten wird. Darauf werden wir im Folgenden näher eingehen.

Quelle: Goethes Jungs Instagram

Bis zum Konzert am 05.08.2023 war unklar, welche Bands auftreten werden und welche Strukturen und Personen tatsächlich vor Ort sind. Denn durch die Berichterstattung der Lokalpresse kam heraus, dass es nicht nur angeblich eine neue Coverband geben wird, sondern auch, dass die Bands ErnstFall und Gothes Jungs abgesagt haben. Laut Recherchen der Nordwest-Zeitung (NWZ) hatte die Band ErnstFall bereits im Juli ihre Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt, als ihnen bekannt wurde, dass die Band Goethes Jungs dort ebenfalls spielen sollte, und weiterhin Verbindungen in die rechtsextreme Szene hat. So haben Goethes Jungs als Vorgruppe der Band Weimar gespielt. Daraufhin fragte die Band bei den Organisatoren an und trafen dabei auf Unverständnis. Laut Berichterstattung der NWZ sahen die Organisatoren darin kein Problem,  da ja alle Weimar hören. Dies führte zu einem äußerst unerfreulichen Chatverlauf zwischen Band und Organisatoren laut der Berichterstattung der NWZ. Der Chatverlauf liegt der NWZ vor. (vgl. NWZ). Daniel Hitze ist nämlich großer Fan der Band Weimar und wird immer wieder mit ihren Bandshirts gesichtet und trägt eine Weimar-Maske auf seinem Facebook-Profilbild. Als Ersatz für die Band ErnstFall wurde dann unter anderem durch Maike Klaassen das Wolfgang-Petry-Double Thomas Berger angekündigt.  Diese Entscheidung warf nicht nur beim NDR Fragen auf. Die Mischung aus hartem Deutschrock und Schlager wollte nicht so ganz passen. Doch wenn man sich das Facebook Profil vom Wolfgang-Petry-Double Thomas Berger anschaut, dann strotzt dieses Profil nur so von verschwörungsideologischen und AfD-affinen Posts. Es wird deutlich, dass er mutmaßlich auf Grund seiner politischen Ideologie gebucht wurde. Auch die neu angekündigte Onkelz-Coverband Viva Los Tioz warf einige Fragen auf. Trotz intensiver Internetrecherche fand man nichts über die neu angekündigte Band. Was heutzutage ja schon sehr ungewöhnlich ist. Auch das Logo, welches bei der Ankündigung verwendet wurde, warf Fragen auf. So kam durch die Recherche der OZ heraus, dass das Logo eines Festivals aus Hessen für das Bandlogo von Viva Los Tioz ungefragt übernommen wurde. Die Veranstalter_innen des Festivals überlegten rechtliche Schritte einzuleiten (vgl.OZ,  Rechtes Konzert: Gehasst, verdammt, verkalkuliert in der Krummhörn – Ostfriesen-Zeitung (oz-online.de).

Quelle: Maike Klaassen Facebook-Profil

So vermuteten Expert_innen und Szenekener_innen, dass es sich bei der Absage der Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert um eine fingierte Absage handelt und mutmaßlich die Band hinter Viva Los Tioz steckt. Zudem sind solche fingierten Absagen bei Rechtsrock-Konzerten nicht unüblich, um zu verschleiern, welche Band tatsächlich auftreten wird. Als dann noch bekannt wurde, dass jetzt auch die Band Gothes Jungs das Konzert absagen, war die Verwirrung komplett. In Ihren Statements auf ihren Social-Media-Accounts schrieb die Band, sie seien sich nicht sicher gewesen bezüglich der im Raum stehenden Vorwürfe gegenüber den Bandmitgliedern von Gehasst-Verdammt-Vergöttert, da diese weiterhin in einschlägigen Neo-Nazi-Bands spielen. Auch die Vorwürfe bezüglich des Sanitätsdienst und des Sicherheitsdienst könne man nicht entkräften. Man sei unpolitisch und habe sich dagegen entschieden, auf diesem Konzert zu spielen. Somit bestand zwar der Verdacht, dass die Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert am 05.08.2023 als Viva Los Tioz auf dem Konzert spielen wird, doch war dies bis zum 05.08.2023 unklar.

Auch die Einschätzung der Behörden zu dem Konzert warf eindeutige Fragen auf. Durch die Berichterstattungen des NDR, der OZ und der NWZ kam heraus, dass die polizeilichen Behörden nicht der Auffassung sind, dass es sich bei dem Konzert „Live in der Krummhörn 2“ um ein Rechtsrockkonzert handle. Zudem wollen die Behörden keine aktiven Neo-Nazi-Strukturen erkennen können. Laut der Aussagen der Behörden handle es sich nur einzelne Akutere und man sehe in dem Konzert keinen Versuch eines Netzwerks ihre Kontakte zu pflegen oder weiter auszubauen. Die Lokalpresse zeigte sich sichtlich irritiert über diese Einschätzung, da die Lokalpresse und weitere Recherchenetzwerke auf Grund ihrer Recherchen zu einem deutlich anderen Ergebnis gekommen sind (vgl. OZ, https://www.oz-online.de/artikel/1393355/Neonazi-Vernetzung-oder-nur-Kontaktpflege-unter-Neonazis). Zumal Daniel Hintze, einer der zwei Organisatoren, Member und Mitiniator der Crew 38 ist. Die Crews sind sogenannte Unterstützergruppen der Chapter der Hammerskins (vgl. Rechercheportal Exif). Im Folgeartikel werden wir näher drauf eingehen.

Auch immer mehr gesellschaftlicher Widerstand formierte sich und so wurde ein Gegenprotest angekündigt.  Zu dem Gegenprotest rief ein breites bürgerliches Bündnis auf. Zu dem Gegenprotest rief unter anderem „Aurich zeigt Gesicht“ auf. Der Gegenprotest sollte an einer Bushaltestelle einen Kilometer entfernt von dem Gelände des Lohnunternehmers stattfinden. Doch der geplante Gegenprotest traf auf wenig Begeisterung bei den Unterstützer_innen und dem Veranstalter von „Live in Krummhörn 2“. So wurde bereits im Vorfeld das sogenannte Feindbild „Antifa“ wieder aufgebaut. So wurde ein Banner im Ort aufgehangen, worauf stand: „Hier ist kein Platz für Linksextreme! Ihr Zecken lasst uns feiern!“ Wobei weiterhin unbekannt ist, wer das aufgehängt hat.

Laut medialer Berichterstattung wurde ein Großaufgebot der Polizei angekündigt. Zudem wurden allgemeine Verkehrskontrollen an dem Abend angekündigt. Darüber hinaus berichteten die Medien, dass auch der Staatsschutz vor Ort sei. Über die Sinnhaftigkeit, vorab anzukündigen, dass der Staatsschutz vor Ort ist, lässt sich sicherlich streiten.

Im Vordergrund Sascha Burmeister
(Quelle: Pixelarchiv, https://pixelarchiv.org/event/2023.08.05.krummhoern/1)

Am 05.08.2023 zeigte sich dann doch recht schnell, welche Strukturen und Akteure vor Ort sind. Gegen 16:55 Uhr kamen teilweise vermummte Personen zu Fuß oder mit einem Transport nach vorne an die Hauptstraße, um Verkehrsschilder an der Straße aufzustellen. Die Akteure waren über die anwesende Presse wenig begeistert. So kam es zwischen den Akteuren und der Polizei zur Diskussion bezüglich der anwesenden Presse. Gegen ca. 17:03 Uhr stand das erste Schild. Doch nicht alle Akteure waren vermummt. Unter der Truppe waren unter anderem Sascha Burmeister, bekannter Neo-Nazi aus Emden, und Ronny Damerow, bekannter Neo-Nazi aus Hannover.

Quelle: Pixelarchiv https://pixelarchiv.org/event/2023.08.05.krummhoern/1
Martin Heise rechts im Bild mit Kapuze
Quelle: Pixelarchiv
https://pixelarchiv.org/event/2023.08.05.krummhoern/1

Vor dem Gelände des Lohnunternehmens waren viele Lokal- und Fachjournalist_innen vor Ort. Zudem standen zwei Mannschaftswagen vor der Auffahrt des Geländes und bereits bei der Anreise wurden die angekündigten Polizeikontrollen durchgeführt, die als allgemeine Verkehrskontrolle deklariert wurde. Gegen ca. 18 Uhr erhöhte sich das Aufkommen der anreisenden Konzertbesucher_innen deutlich. Einige Konzertbesucher_innen parkten im Umfeld des Geländes und kamen zu Fuß. Andere reisten mit ihren PKW’s an und viele weitere Besucher_innen reisten mit einem organsierten Shuttleservice an, welcher aus privaten PKWs aus dem Umfeld der Veranstalter und der Taxi & Mietwagen Ackmann GmbH bestand. Das Unternehmen warb mit einem großen Banner auf dem Gelände des Lohnunternehmens. Die anreisenden Konzertbesucher_innen waren wenig begeistert über die anwesende Presse. So wurden Pressevertreter_innen als sogenannte „Antifa“ oder auch „scheiß Antifa bezeichnet. Ein Trupp mit teils vermummten Akteur_innen versuchte bei der Polizei zu erwirken, dass die Berichterstattung unterbunden wird. Unter den Akteuren, die versuchten die Berichterstattung zu unterbinden, war ebenfalls Martin Heise. Dieser ist ebenfalls Hammerskin und gehört dem Chapter Westfalen an. Ein weiterer nicht vermummter Hammerskin stellte sich mitten zwischen die Journalist_innen. Diese nonverbalen Drohgebärden und Demonstrationen von Macht sind ebenfalls typisch für die Neo-Nazi-Szene. Zudem fotografierten die Truppe und Konzertbesucher_innen die Journalist_innen. Auch kam es immer wieder zu Szenen, wo wütende Autofahrer ausstiegen und sich über die Berichterstattung aufregten. Gerade eine Dame mit Norder Kennzeichen echauffierte sich über die Fotograf_innen. Mag auch an dem Sticker an ihrem Auto gelegen haben. Dort war ein Eisernes Kreuz mit drei Totenköpfen zu sehen. Das Eiserne Kreuz ist auch ein sehr beliebter Ersatz für verbotene Symbole in der rechtsextremen Szene. Nach einer Weile entspannte sich die Situation vor Ort.

Einen Kilometer entfernt fand um 18 Uhr die Gegendemonstration mit ca. 200 Teilnehmer_innen statt. Der Protest verlief friedlich und es kam zu keinen größeren Störungen.

Quelle: Pixelarchiv https://pixelarchiv.org/event/2023.08.05.krummhoern/1
Verzehrkarte Vorderseite Quelle: Recherche-Nordwest
Verzehrkarte Vorderseite (Quelle: Recherche Nordwest)

Da wir Informanten vor Ort hatten, werden wir im Laufe unserer Berichterstattungen einen Einblick gewähren, was sich an dem Abend auf dem Gelände des Lohnunternehmens ereignet hat. Unsere Informanten berichteten, dass an der Kasse nicht nur die 30 € für das Ticket zu begleichen waren, sondern alle Konzertbesucher_innen ebenfalls eine Verzehrkarte für 20€ erwerben mussten. Auf dem Gelände konnte man Getränke und Essen nur mit der Verzehrkarte erwerben. Bereits an der Kasse am Eingang stand ein Merchstand, wo Merch zur Konzertreihe „Live in Krummhörn 2“ verkauft wurde. Dort wurden T-Shirts mit entsprechendem Logo verkauft. Die Farbauswahl wirkt ebenfalls nicht zufällig. Das Logo auf den schwarzen Oberteilen war rot mit weiß. Die Farben schwarz, weiß und rot sind Farben der Reichsflagge und werden sehr gerne in der Neo-Nazi-Szene genutzt. Die Frakturschrift auf den Verzehrkarten ist ebenfalls szenetypisch. Interessant ist auf alle Fälle, dass das Logo des Lohnunternehmens Friedrich Voß auf der Rückseite der Verzehrkarte zu sehen ist. Auf dem Merch der Konzertreihe „Live in Krummhörn 2“ waren die Namen der Bands Gehasst-Verdammt-Vergöttert und Goethes Jungs. Die Band ErnstFall war nicht auf dem Merch zu sehen. Dies bedeutet, dass der Merch nach der Absage der Band ErnstFall angefertigt wurde. Also zwischen Juli und August.

Rückseite der Verzehrkarte (Quelle: Recherche Nordwest)

Hinter der Halle gab es einen Bereich, wo die Tickets, Essen, Getränke und Merch zum Verkauf angeboten wurden. Auf dem Veranstaltungsgelände waren weitere Firmen aus der Region, die ihre Getränke- und Toilettenwagen zur Verfügung stellten. Während der Getränkewagen von der Firma OGV und der Toilettenwagen von Abroth WC Service aus Uplengen angemietet wurden, wirkte der Essensstand privat organisiert. Dort konnten unter anderem Gulaschsuppe und Bratwürste erworben werden. Wie unsere Informanten berichteten war bereits am Eingang eine größere Gruppe zu sehen, bei der es sich mutmaßlich um einen Motorradclub handelte. Jedoch verzichtete die Gruppe auf die üblichen Kutten. Insgesamt fielen auch immer wieder Personen auf, die komplett vermummt waren und lediglich beim Trinken die Vermummung abnahmen. Der Nordland Sanitätsdienst wurde ebenfalls von unseren Informanten gesichtet. Unter anderem war Jens Malte Hillers als Sanitäter vor Ort.

Jens Malte Hillers (Quelle: Recherche Nordwest)

Video Antifa Störung der Veranstaltung (Quelle: AfD-affiner Channel „Durch und Durch“)

Tonaufnahme Ansage Konzert (Quelle: Recherche Nordwest)

Zu Beginn der Veranstaltung wirkte die Stimmung noch recht entspannt. Dies sollte sich zum Ende des Konzerts mit steigenden Alkoholgenuss ändern. Nachdem nun auch die Band Goethes Jungs das Konzert abgesagt hatte, sollte für die Band ErnstFall das Wolfgang-Petry-Double Thomas Berger auftreten. Laut Werbung sollte das Konzert um 20 Uhr beginnen. Doch auch um 21 Uhr spielten noch keine Musiker. In der Halle wurde das Publikum langsam unruhig. Irgendwann erfolgte eine Ansage auf der Bühne. Laut unseren Informanten erfolgten an diesem Abend zwei Ansagen. Diese wurden von dem gleichen Ansager getätigt. Bei der ersten Absage handelte es sich um die Bekanntgabe, dass das Wolfgang Petry Double nicht auftreten wird. Dazu wurde auf Tik Tok von dem AfD-affinen Channel „Durch und Durch“ ein Video geteilt. Über das Video wurde ein Text gelegt. Auf dem Video ist zu sehen, wie Daniel Hintze, der mutmaßliche zweite Veranstalter und der Sänger der Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert auf der Bühne und eine Begründung der Absage von Thomas Berger vorlesen. In dieser angeblichen Nachricht von dem Wolfgang-Petry-Double gibt er die Erklärung ab, dass er das Konzert absagen müsse, da ihn angeblich die Antifa bedroht habe und er fotografiert wurde. Er fürchtet um seine Familie und seine Arbeit. Auch in dem Text, der über das Video gelegt wurde, baute man wieder das Feindbild der Antifa auf (siehe Video). Dabei standen lediglich Journalist_innen vor dem Gelände, da der Gegenprotest einen Kilometer entfernt stattfand. Auch in diesem Fall wich die Darstellung der Veranstalter_innen deutlich von der Stellungnahme ab, die Thomas Berger auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte. Dieser begründete seine Absage auf seiner Facebookseite deutlich anders. Zudem folgte eine weitere Ansage. Hierzu haben wir eine entsprechende Tonaufnahme. Dort werden die Konzertbesucher_innen aufgefordert, auf ihre Gestik zu achten, um niemandem einen Grund zugeben, das Konzert als rechte Veranstaltung zu framen. Auch diese Art der Aufforderungen sind üblich für Rechtsrock-Konzerte.  

Video Musik Veranstaltung (Quelle: Recherche Nordwest)

Band Viva Los Tioz mit Patrick Janssen als Sänger
(Quelle: Recherche Nordwest)

Gegen 22 Uhr wurde dann die Band Viva Loz Tios angekündigt. Bei den Mitgliedern der neuen Onkelz-Cover-Band handelte es sich allerdings um keine Unbekannten (siehe Video). Auf der Bühne standen der Gitarrist Marco Eckert von der Band Gehasst-Verdammt-Vergöttert und der C18-Band Oidoxie. Auch der Sänger der angeblich neuen Band Viva Loz Tios ist kein Unbekannter, sondern Patrick Janssen, der ja bereits als Sänger von Gehasst-Verdammt-Vergöttert und der neonazistischen Band Faust in Erscheinung trat. Offensichtlich wurde lediglich der Bassist ausgewechselt. An diesem Abend wurden Marco Eckert und Patrick Jenssen bereits im Vorfeld im Publikum vor der Bühne gesichtet (siehe Fotos).

Patrick Janssen am 05.08.2023 in Canum (Quelle: Recherche Nordwest)
Marco Eckert am 05.08.2023 in Canum (Quelle: Recherche Nordwest)

 

Zum Ende des Konzerts entledigten sich viele ihrer Oberteile und pogten. Dort wurden laut Zeugenaussage mehrere Tätowierungen mit Runen gesichtet. Durch die schlechten Lichtverhältnisse in der Location konnten nicht alle Tätowierungen einwandfrei identifiziert werden. Zum Ende des Konzerts kippte die Stimmung mit dem steigenden Alkoholkonsum deutlich. Unsere Informanten nahmen die Atmosphäre als aggressiv und bedrohlich wahr.

Darüber hinaus fiel unseren Informanten auf, dass den ganzen Abend über das Feindbild „Antifa“ aufrecht erhalten wurde, da „die Antifa“ ihnen ja den Abend versaut habe. Man könne ja mal die „Antifa-Teens“ verkloppen. Die Band spielte bis ca. 1 Uhr nachts. Während der Abreise der Konzertbesucher_innen war weiterhin ein Großaufgebot der Polizei vor Ort und führte entsprechende Kontrollen durch.

Nach dem Konzert wurde dann bekannt, dass Friedrich Voß einen Auftrag als Subunternehmer bei der Bundeswehr verloren hat (vgl. OZ, Krummhörn/Wittmund: Nach Rechtsrockkonzert: Unternehmen verliert Bauauftrag für die Bundeswehr – Ostfriesen-Zeitung (oz-online.de)). Dies rief weitere Unterstützer_innen der Familie Voß und der Konzertveranstalter auf dem Plan. So wurde der Journalist Claus Hock unter den Kommentaren der OZ deutlich angegangen.

Ebenfalls äußerte sich der Bingo-Bär Emdens, Reza Darbani, in einem Facebook-Video kritisch über die Berichterstattung und versuchte die Familie Voß reinzuwaschen. So erzählte er zu Beginn, dass die Juniorchefin Maike Klassen die Spende für das Hospiz von 150 auf 300 € erhöht habe und ging dann auf die Berichterstattung zu dem Konzert „Live in Krummhörn“ ein. Des Weiteren äußerte er, dass man sich gut kenne und er habe dort noch nie Nazis gesehen. Er betonte, dass er ja bekanntlich gegen Nazis sei. Er schaffte es jedoch, sich immer wieder selbst in dem Video zu widersprechen. Dann brachte er noch ein queerfeindliches Beispiel in dem Video. Er sagte, dass er ja selbst auch nicht auf den CSD gehen würde, da er nicht ausschließen könne, dass dort Pädophile mitlaufen würden.

Reza Darbani (Quelle: Facebook-Profil)

Quelle: Recherche Nordwest

Auch die Rolle des Lohnunternehmens Friedrich Voß wirft weitere Fragen auf. Inwieweit ist er tatsächlich involviert? Wenn das Unternehmen angeblich nichts mit der Konzertreihe zu tun hat, warum wurde dann das Logo des Unternehmen auf der Rückseite der Verzehrkarte gedruckt und weshalb erfolgte der Vertrieb der Tickets über das Büro des Unternehmens? Zwar konnte man den Eintritt an der Abendkasse zahlen. Doch wurden bereits im Vorfeld auch reguläre Tickets verkauft. Dies belegen unsere Recherchen, da in diesem Jahr Konzertbesucher_innen ihre Tickets über Ebay verkauften.

Abschließend lässt sich festhalten, dass es sich bei diesem Konzert um kein reines Rechtsrock-Konzert gehandelt hat, da dort keine rechtsextremen Songs gespielt wurden. Sondern bei diesem Konzert handelt es sich um eine Mischform, die so bewusst von den Veranstalter_innen gewählt wurde. Gerne wird diese Art von Konzerten genutzt, um weitere Einnahmen für die neonazistischen Strukturen zu generieren. Auch die Akteure und Strukturen, die vor Ort waren, sprechen dafür, dass das Konzert für weitere Vernetzungen genutzt werden sollte. Somit wird nochmals deutlich, dass seitens der Behörden eine eindeutige Fehleinschätzung vorliegt. Dies wiederum wirft weitere Fragen auf, warum die Behörden und ein Teil der Gesellschaft bewusst diese vorhandenen Strukturen klein geredet, ignoriert und sogar unterstützt haben. In den nächsten Tagen und Wochen werden weitere Berichte zu einzelnen Akteuren und Strukturen im Zusammenhang mit der Veranstaltung folgen.

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